Die Welt der Animorphs
  Leseprobe Band 15 - Die Flucht
 

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Am Donnerstag trödelte ich nach der Schule noch etwas herum. Ich lief zur Sporthalle. Dann ging ich zum Schwimmbecken. Erstaunlicherweise war niemand drin. Das Schwimmteam war ausgeflogen, schätze ich. Vielleicht rasierten sie sich gerade ihre Beine und den Schädel. Keine Ahnung.

Die Schwimmhalle riecht nach Chlor und Schimmel. Einer von den Orten, bei denen man unwillkürlich an Fußschweiß denkt, wisst ihr? Die Wände sind weiß und der Boden dunkelblau gefliest. Es gibt ein Drei- und ein Ein-Meter-Brett. Hoch oben in der einen Wand sind Fenster, aber die Beleuchtung kommt überwiegend von Neonröhren. Im Wasser selbst sind Leuchten, die wie Autoscheinwerfer aussehen. Aber egal, wie viele Lampen an sind - es wirkt trotzdem alles düster.

Ich wusste, was ich gleich tun würde. Und ich wusste, dass es dumm war. Aber mir war klar, wenn ich es nicht hier tat, würde ich es an einem noch dümmeren Ort machen. Zum Beispiel daheim in der Badewanne.

Ich ging zu meinem Spind und schlüpfte in meine Sporthose. Dann lief ich zurück und checkte noch mal den Pool. Keiner da. Niemand auf der Tribüne. Niemand im Becken. Nicht ein Kräuseln in der Wasserfläche.

Ungefähr bei der Zweieinhalbmetermarke sprang ich mit den Füßen voraus rein. Ich kam wieder hoch und sagte: "Das ist irrsinnig, Marco."

Worauf ich antwortete: "Dann bin ich eben vorsichtig."

Worauf ich erwiderte: "Du führst Selbstgespräche, weißt du das?"

"Oh, halt die Klappe", sagte ich.

Ich ging die Sache an, die ich schon seit Sonntag hatte tun wollen. Ich begann mich auf den Hai zu konzentrieren. Ich sah ihn vor meinem geistigen Auge. Sah, wie er mich durch diese Plastikröhre jagte.

Ich stellte mir den Moment vor, als ich die Sandpapierhaut des Hais berührte und ihn in die Übernahmetrance versetzte. Und dann fühlte ich, wie die Veränderungen langsam begannen.

Es fing damit an, dass sich meine Knochen unter gluckernden Geräuschen auflösten. Haise haben nämlich keine Knochen, müsst ihr wissen. Nur Knorpel.

Ich konnte meine Knochen hören. Meine Armknochen. Meine Beinknochen. Meine Hüftknochen und sogar meine Wirbelsäule, sie alle begannen sich aufzulösen.

Durch das Wasser sah ich auf meine Füße runter. Sie schimmerten vor dem dunkelblauen Hintergrund. Dann begannen sie sich zu strecken. Die Zehen wurden immer länger, bis jeder von ihnen so lang war wie ein Fuß. Meine Waden folgten nach und dehnten sich wie Kaugummi. Es war der totale Schock, als ich merkte, dass ich den Beckengrund berührte.

Irgendwas passierte auf meinem Rücken. Ich fühlte, wie da etwas rauswuchs und größer wurde. Es bildete sich aus meinen schmelzenden Knochen.

Mit meinen noch menschlichen Fingern griff ich hinter mich und berührte etwas Dreieckiges. Aus mir wuchs eine Rückenflosse!

Meine Mundhöhle fing an zu jucken. Sie juckte entsetzlich, fast so, wie wenn man Zähne kriegt.

Haizähne füllten meinen Mund.

Dann ...

"Hey, Milchbubi, raus aus dem Pool!"

Es gab einen lauten Platscher, dann noch einen. Ich fuhr herum. Zwei Köpfe kamen auf mich zu. Zwei kräftige Armpaare wühlten das Wasser auf.

Drake und Bill. Zwei totale Trottel. Zwei widerliche Kraftprotze. Und dazu zwei fitte Taucher für das Schulteam. Zumindest Drake. Bill war ein absoluter Hohlblock. Er hatte den IQ von Käse.

"Mach'n Satz aus dem Pool, Punki!", sagte Bill.

"Sonst lackieren wir dir den Arsch, Marco-roni", ergänzte Drake.

Ich hätte vor ihnen Schiss haben müssen. Aber meine einzige Sorge war die, dass sie vielleicht abtauchen könnten. Dann würden sie sehen, dass ich nicht ganz normal war. Von oben jedoch würden sie meine tierisch langen Beine und Zehen bloß für eine optische Verzerrung halten.

Ich begann den Morph umzukehren. Was für ein Idiot war ich gewesen! So was hatte ja kommen müssen. Jake würde mich umbringen. Falls er davon erfuhr. Ich morphte mich zurück, so schnell ich konnte. Ich spürte, wie meine Zehen den Kontakt zum Beckengrund verloren.

Dann legte Bill sich im Wasser zurück, hob ein Bein und kickte mich mit dem Fuß voll gegen die Brust.

Ich hatte es nicht kommen sehen. Konnte dem Tritt nicht ausweichen.

"Uuummpf!" Die Luft platzte aus meinen Lungen. Ich griff mir an die Brust.

"Hab dir doch gesagt, du sollst 'ne Fliege machen", sagte Drake. "Jetzt werden wir dich vermöbeln müssen, weil du keinen Respekt hast. Außer, du schwingst deinen mickrigen Arsch aus dem Pool, und zwar ein bisschen plötzlich."

Drake gab mir eine Chance mich zu verkrümeln. Ich brauchte mich bloß umzudrehen und zu verschwinden. Das war's.

"Ja, lauf nach Hause zu deiner Mami, Marco-roni", sagte Bill.

"Kann er nicht", sagte Drake mit einem Anflug von normaler Menschlichkeit in seiner Stimme. "Seine Mami ist tot."

"Oh, buu-huh", höhnte Bill. "Buu-huh, buu-huh!" Er machte eine kleine Handbewegung, als würde er sich Tränen aus den Augen wischen. "Wahrscheinlich ist seine Mutter bloß mit irgendeinem Kerl durchgebrannt."

Ich brauchte nur abzuhauen. Stattdessen starrte ich wie gebannt auf Bills Kehle. Ich konnte die Arterien sehen, die links und rechts von seinem Adamsapfel pulsierten.

"Wo glotzt du hin?", fragte Bill. "Ich mach dich alle, wenn du mich so angaffst!"

Aber ich bemerkte, dass Bill sich nicht auf mich zubewegte. Dabei wollte ich genau das. Ich wollte, dass er näher kam.

"Was ist mit seinen Augen los?", fragte Drake. "SIeh dir mal seine Augen an, Mann."

"Marco?" Das war Jakes Stimme.

Ich sah, wie sich Bills Miene veränderte. Er schaute jetzt an mir vorbei. Ich hörte Schritte auf den Fliesen.

"Was ist los, Marco?", fragte Jake und versuchte dabei lässig zu klingen.

"Ah, ist das nicht süß?", sagte Drake. "Big Jake ist hier, um Little Marco-roni zu retten."

Hastig drehte ich den Kopf zu Jake hin. Ich schnitt eine Grimasse und fletschte die Zähne. "Iff bauffe deine Hilfe nifft."

Die Haizähne in meinem Mund behinderten mich beim Sprechen. Ich sah, wie Jake erstaunt die Augen aufriss. Erst erstaunt, dann argwöhnisch und besorgt.

"Lass gut sein, Marco", sagte Jake.

Ich drehte mich wieder Bill zu. Ich konnte noch immer das pulsierende Blut dicht unter der Haut von Bills Hals sehen. Es wäre so leicht ...

"Er hat meine Mutter veräfftlich gemafft", sagte ich.

"Er ist nicht für deine Mutter verantwortlich", sagte Jake. "Bestraf ihn nicht für die Sünden eines anderen."

Keine Ahnung, was die beiden Kraftmeier von diesem Austausch hielten. Ich weiß bloß, dass sie die Klappe hielten. Bill sah immer wieder von mir zu Jake. Er war verwirrt und beunruhigt. Angeber sind es nicht gewöhnt, dass ihre Opfer so sprechen und handeln, als wären sie mordsmäßig stark. Vielleicht störte ihn auch die Art, wie ich unverändert auf seinen Hals starrte.

"Heb dir das für die wirklich bösen Jungs auf, Marco", sagte Jake.

Ich ließ auch den Rest von meinem Haimorph verschwinden. Ich fühlte das Jucken in meinem Mund, als meine normalen Zähne die tödlichen Haizähne ersetzten.

Dann kletterte ich aus dem Becken.

"Was ist los mit dir?", fragte Jake, sobald wir draußen waren.

Ich zuckte mit den Schultern und zwang mich zu einem Lächeln. "Gar nix, Jake. Ich glaube, Bill sah in meinen Augen einfach ein bisschen wie ein Fisch aus. Fandest du nicht auch? Ich jedenfalls schon."

Keine Spur komisch. Aber etwas Bessers fiel mir nicht ein. Jake sah mich lange an.

"Vielleicht solltest du bei der nächsten Mission aussetzen, Marco."

Ich lachte. "Da müsstest du mich schon umbringen, Jake, um mich von dieser Insel fernzuhalten."

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